Warnung vor Hass
Abschrift des Testaments, das Gad seinen Söhnen im 127. Lebensjahre übergab: Ich war der neunte Jakobsohn, und bei den Herden war ich tapfer. Des Nachts bewachte ich die Herde und kommt der Löwe oder Wolf oder sonst ein wildes Tier, alsdann verfolg ich es, ergriff es am Fuße mit der Hand und schleudere es einen Steinwurf weit. So macht ich es tot. Und Joseph weidete mit uns die Herde dreißig Tage; er aber wurde von der Hitze krank, war er doch zart. So kehrte er nach Hebron heim zum Vater. Und dieser ließ ihn nahe bei sich lagern; er hatte ihn so lieb. Und Joseph sagte unserm Vater, der Zilpa und der Balla Söhne, sie schlachteten das Beste aus der Herde und aßen es, ganz gegen Rubens Meinung und die Judas. Er hatte es mit angesehen, dass ich ein Lamm der Bärin aus dem Rachen riss und jene tötete; doch weil das Lamm nicht weiter leben konnte, so musste ich es schlachten, wenn auch ungern, und dieses aßen wir. So zürnte ich deshalb dem Joseph bis zum Tag, wo er nach dem Ägypterland verkauft ist worden. Des Hasses Geist war ja in mir. Ich wollte Joseph weder sehen noch hören. Er rügte uns ins Angesicht hinein, wir hätten ohne Juda Tiere aus der Herde verzehrt. Und unser Vater glaubte alles, was er ihm nur sagte. Nun, Kinder, ich bekenne meine Sünde, dass ich ihn oftmals töten wollte. Ich hasste ihn bis in die Seel hinein. Der Träume wegen hasste ich ihn noch mehr; ich wünscht ihn aus dem Lande der Lebendigen zu tilgen, gleichwie das Rind das Gras vom Boden tilgt. Und so verkauften ich und Simeon ihn den Ismaeliten um dreißig Goldstücke [und zehn verbargen wir; nur zwanzig zeigten wir den Brüdern]. Erfüllt von Habsucht, wollten wir ihn töten. Doch unsrer Väter Gott entzog ihn unsern Händen, dass ich in Israel nicht einen großen Frevel tat. Nun, meine Kinder, hört der Wahrheit Worte, dass ihr Gerechtigkeit befolget und jegliches Gesetz des Höchsten! Lasst euch nicht durch den Geist des Hasses je verführen! Bei allen Menschenwerken ist er schlimm. Der Hassende verabscheut alles, was man tut. Erfüllt man das Gesetz des Allerhöchsten, so lobt er nicht; hat jemand Furcht vorm Allerhöchsten und will das Rechte, so liebt er diesen nicht. Die Wahrheit selbst setzt er herab. Den Glücklichen beneidet er; Verleumdung hat er gern und liebt den Übermut; der Haß macht seine Seele blind, wie ich es bei Joseph sah. Vorm Hasse hütet euch nun, meine Kinder! Denn selbst am Allerhöchsten begeht er eine Sünde. Er hört nicht aufs Gebot der Nächstenliebe; er sündigt vielmehr wider Gott. Denn, wenn der Bruder strauchelt, so will er es sogleich allen melden und drängt darauf, dass jener würd gerichtet und gestraft und selbst den Tod erlitte. Und ist es ein Sklave, dann hetzt er diesen gegen seinen Herrn; in jedem Leide reizt er ihn, er möge ihn töten. Der Haß wirkt mit dem Neid zusammen gegen Glückliche; stets wird er krank, hört er von ihrem Glück und sieht es. Denn, wie die Liebe selbst die Toten will lebendig machen und die dem Tod Geweihten will zurückbehalten, so will der Haß die Lebenden erschlagen und auch die kleinen Sünder nicht am Leben lassen. Der Geist des Hasses wirkt ja durch den Kleinmut mit Satan überall zusammen zum Tod der Menschen; der Geist der Liebe aber wirkt durch Langmut zusammen mit dem göttlichen Gesetz zur Menschenrettung. Schlecht ist der Haß; er hält es beständig mit der Lüge, bekämpft die Wahrheit. Das Kleine macht er groß; die Finsternis hält er für Licht. Das Süße nennt er bitter und lehrt Verleumdung, entflammt den Zorn, entzündet Streit und Heftigkeit und jegliche Begier und füllt mit Teufelsgift das Herz. Dies sag ich aus Erfahrung, meine Kinder, flieht doch den Haß des Teufels und hängt euch an die Liebe des Allerhöchsten! Rechtschaffenheit vertreibt den Haß und Demut tötet ihn. Denn der Gerechte und der Demutsvolle scheut sich, Unrecht zu verüben, vom eignen Herzen würde er getadelt, nicht von andern; der Allerhöchste kennt seine Neigung. Er spricht nicht gegen einen Frommen, weil ihn die Gottesfurcht beherrscht. Weil er sich fürchtet, den Allerhöchsten zu beleidigen, so will er niemals einem Menschen Unrecht tun, nicht einmal in Gedanken. Und das erkannte ich zuletzt, nachdem ich Josephs wegen Buße getan. Die wahre, gottgemäße Reue vernichtet die Unwissenheit, verjagt die Finsternis, erhellt die Augen, verschafft der Seele Wissen und leitet den Verstand zum Heil. So weiß er durch die Reue, was er von Menschen nicht gelernt. Gott brachte eine Leberkrankheit über mich und ohne meines Vaters Jakob Beten wär ich fast gestorben. Womit ein Mensch gesündigt, damit wird er bestraft. Da meine Leber einst dem Joseph unbarmherzig zugesetzt hat, so litt ich unbarmherzig an der Leber und ward so für elf Monate gestraft, so lange, als ich Joseph feindlich war. Nun, meine Kinder, liebet jeder seinen Bruder, und rottet den Haß aus euren Herzen aus! Liebt euch in Tat und Wort und in Gesinnung! Ich sprach mit Joseph friedlich vor dem Vater; dann ging ich fort, und schon verdunkelte der Geist des Hasses den Verstand und reizte meine Seele, ihn zu töten. So liebet euch von Herzen! Und sündigt einer gegen dich, so sag es ihm in Frieden! Schaff so des Hasses Gift hinweg! Bewahre in deiner Seele nicht die List! Wenn er bekennt und es bereut, vergib ihm! Und leugnet er, streit nicht mit ihm! Sonst schwört er noch, und du bist doppelt schuldig.[Nicht möge im Rechtsstreite ein Fremder dein Geheimnis hören, damit er nicht aus Hasse dir zum Feinde werde und eine große Sünde an dir tue! Denn oftmals wird er listig mit dir reden, in böser Absicht sich mit dir beschäftigen, hat er von dir das Gift empfangen.] Und wenn er leugnet und sich schämt ob seiner Lüge, rüg ihn nicht weiter! Denn, wenn er leugnet, tut er Buße und fügt dir keine Unbill zu; er ehrt dich noch und lebt mit dir in Frieden. Ist er dagegen unverschämt, verharrt er bei der Schlechtigkeit. Vergib ihm dann auch so von Herzen und überlasse die Rache Gott! Hat jemand mehr Glück denn als ihr, betrübt euch nicht! Betet für ihn, dass er vollkommen Glück genieße! So ist es gut für euch. Würd er noch mehr erhöht, seid ihm nicht neidisch und denkt daran, dass alles Fleisch den Tod erleidet! Bringt Lob dem Allerhöchsten, der allen Menschen Nützliches und Gutes reicht! Erforsch des Allerhöchsten Gerichte! Dann bleibt dein Geist in Ruh und Frieden. Wird jemand auch vom Bösen reich, wie Esau, meines Vaters Bruder, seid ihm nicht neidisch! Wartet nur das Ende vom Allerhöchsten ab! Nimmt Er den ungerechten Mammon weg, alsdann vergibt er ihm, wenn er es bereut. Wenn nicht, dann ist der Unbußfertige für ewige Strafe aufgespart. Der Arme, ist er frei von Neid, gefällt dem Allerhöchsten nach allen Seiten; er ist gesegnet unter allen Menschen; er hat ja nicht der Menschen eitle Mühe. Schafft Eifersucht aus euren Seelen fort und liebt einander aufrichtig von Herzen!
Quelle : Altjüdische Schriften außerhalb der Bibel, Paul Rießler (1928), Zusammenstellung aus dem Buch "Testament der zwölf Patriarchen" - gemeinfreier Text - : Zur Mehrung des (Gesamt-) Verständnisses wird empfohlen das ganze Buch zu lesen und den Worten der Propheten Gottes zu glauben sowie den Gott Israels um Leitung und Erkenntnis zu bitten und anzurufen.
Mögliche Bezugsquellen : Freier Download im Internet, Bibliotheken (z.B. Staats-, Stadt- oder Universitätsbibliotheken).
https://mobirise.com website maker