Über Mitleid und Erbarmen
Nun, meine Kinder, bitte ich euch, dass ihr des Allerhöchsten Gebote haltet und gegen euren Nächsten milde seid, barmherzig gegen alle, doch nicht nur gegen Menschen, auch gegen unvernünftige Tiere! Deswegen gab der Allerhöchste mir seinen Segen und während meine Brüder sämtliche erkrankten, kam ich alleinig ohne Krankheit weg. Der Allerhöchste kennt eines jeden Neigung. In eurem Herzen traget Mitleid, meine Kinder! Wie einer seinem Nächsten tut, so tut auch ihm der Allerhöchste. Auch meiner Brüder Söhne wurden krank und starben Josephs wegen; sie trugen ja kein Mitgefühl in ihrem Herzen. Doch meine Söhne blieben ohne Krankheit, wie ihr wisst. Am Meeresufer fing ich meinem Vater Jakob Fische, als ich in Kanaan war. Und viele litten auf dem Meere große Not; ich aber blieb alleinig unbehelligt. Als Erster macht ich einen Kahn zum Fahren auf dem Meer; hierzu gab mir der Allerhöchste Verstand und Weisheit. Ich machte hintendran ein Steuer und spannt in seiner Mitte Leinwand aus an einer Stange. Auf ihm befuhr ich die Gestade, fing Fische für des Vaters Haus, bis dass wir nach Ägypten kamen. Von meiner Beute gab ich jedem Fremden voller Mitleid. Und war ein Fremder da, der krank war oder alt, so kochte ich die Fische, bereitete sie gut, aus Liebe und aus Mitleid, und brachte jedem den Bedarf. Deswegen ließ der Allerhöchste mich viele Fische fangen. Denn wer dem Nächsten gibt, bekommt ein Vielfaches vom Allerhöchsten. Fünf Jahre fing ich Fische, gab jedem Menschen, den ich sah, davon und hatte doch für meines Vaters ganzes Haus genug. Im Sommer fing ich Fische; im Winter hütete ich Schafe mit den Brüdern. Nun will ich euch erzählen, was ich tat. Sah ich im Winter einen Armen nackt, so stahl ich heimlich ein Gewand aus meinem Haus und schenkte es dem Dürftigen; denn er erbarmte mich. Habt also Mitleid, meine Kinder, doch ohne Unterschied mit allen und gebt aus gutem Herzen jeglichem von dem, was Gott euch gibt! Und habt ihr dem Bedürftigen gerade nichts zu geben, dann fühlet wenigstens mit ihm in herzlichem Erbarmen! Ich weiß einmal; da fand ich augenblicklich nichts, was ich dem Armen geben könnte. Da ging ich wenigstens noch sieben Stadien mit ihm und klagte, voll Mitgefühl mit ihm.
Nun, meine Kinder! So habt erbarmungsvoll mit jedem Mitleid, dass auch der Allerhöchste aus Mitleid eurer sich erbarme! Gott schickt auch in den letzten Tagen sein Erbarmen auf die Erde, und trifft er ein barmherzig Herz, so wohnt er drin. Im gleichen Maße wie der Mensch des Nächsten sich erbarmt, erbarmt sich über ihn der Allerhöchste. Denn, als wir nach Ägypten kamen, trug Joseph uns nichts Böses nach. So schauet denn auf ihn! Denkt nicht an das erlittene Unrecht, meine Kinder! Liebt einander! Denk keiner mehr an seines Bruders. Schlechtigkeit! Denn dieses trennt die Einigkeit, reißt jegliche Verwandtschaft auseinander, verwirrt die Seele. Wer Böses nachträgt, hat kein erbarmungsvolles Herz.
Letzte Ermahnungen
Betrachtet die Gewässer! Verlaufen sie nach Einer Richtung, dann reißen sie Gestein und Holz und Schilf mit fort. Doch teilt das Wasser sich nach vielen Seiten, dann saugt es der Boden auf und so zerfließt es. So geht’s auch euch, zerteilt ihr euch. Zerteilt euch doch nicht in zwei Häupter! Denn alles, was der Allerhöchste gemacht, besitzt ein einzig Haupt. Er schuf zwei Schultern, Hände, Füße; doch Einem Haupte folgen alle Glieder. Ich las in einem Buche meiner Väter: Ihr würdet euch in Israel zerspalten und in zwei Königreiche euch zerteilen und alles Greuliche verüben. Und eure Feinde werden euch gefangen nehmen; ihr sitzet alsdann bei den Heiden mit Krankheit und mit Trübsal aller Art. Hernach gedenket ihr des Allerhöchsten und tut Buße. Auf dies hin führt er euch zurück; er ist barmherzig, gnädig und rechnet nicht die Schlechtigkeit den Menschenkindern auf. Sie sind ja Fleisch und Geister der Verführung täuschen sie bei allen ihren Werken. Hernach geht euch der Allerhöchste als Leuchte der Gerechtigkeit selbst auf. Ihr kehrt in eure Heimat wieder und schaut ihn zu Jerusalem. um seines Vaters willen. Und abermals erzürnt ihr Ihn durch eure schlimmen Werke; da werdet ihr verworfen werden, bis zur Vollendungszeit.
Quelle : Altjüdische Schriften außerhalb der Bibel, Paul Rießler (1928), Zusammenstellung aus dem Buch "Testament der zwölf Patriarchen" - gemeinfreier Text - : Zur Mehrung des (Gesamt-) Verständnisses wird empfohlen das ganze Buch zu lesen und den Worten der Propheten Gottes zu glauben sowie den Gott Israels um Leitung und Erkenntnis zu bitten und anzurufen.
Mögliche Bezugsquellen : Freier Download im Internet, Bibliotheken (z.B. Staats-, Stadt- oder Universitätsbibliotheken).
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